Sara Rohner

Marianne Engel und Sara Rohner

Titel
Marianne Engel und Sara Rohner
Datum
17. August 2018 - 14. Oktober 2018
Adresse
Aargau
Beschreibung

Am 17. August 2018
Laudatio von Peter Schütz anlässlich der Ausstellungseröffnung
Marianne Engel – Sara Rohner
in der Kulturtankstelle Döttingen-CH

Kinder weinen,

Narren warten,

Dumme wissen,

Kleine meinen,

Weise gehen
in den Garten.

(Joachim Ringelnatz)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Marianne Engels und Sara Rohners Interesse an Strukturen und Gesetzmässigkeiten der Natur bilden den Ausgangspunkt dieser Ausstellung. Wobei die Künstlerinnen unterschiedliche Strategien, unterschiedliche Positionen gewählt haben. Marianne Engel nimmt uns in eine Art von Wunderkammer mit, in der – im verdunkelten Raum unten – es nicht kreucht und fleucht, sondern leuchtet. Stechapfel, Schlafmohn, Klatschmohn, Maierisli hat sie in Harz gegossen und mit Nachleuchtpigmenten überzogen. So lichtvoll erscheinen uns die Pflanzen in natura natürlich nicht, dafür braucht es schon menschliche Hände und das Verständnis, aus einem vergänglichen pflanzlichen Wesen ein dauerhaftes und haltbares Stück Schönheit schaffen zu wollen. Was echt, einer uralten Tongrube und danach dem Naturhistorischen Museum entnommen scheint, sind Unikate, Einzelstücke, Raritäten. Marianne Engel zeigt uns die Natur nicht im Original- oder Urzustand, sondern als Ergebnis eines geistigen und schöpferischen Prozesses, der mit einem hohen Mass an Sensibilität einhergeht. Oder sehen Sie sich die Fliegenpilz-Fotos an: Marianne Engel hat nicht einfach mal abgebildet, was vor ihren Füssen stand, sondern hat Licht ins Spiel gebracht. Sie ist wie eine Regisseurin vorgegangen, die die Schönheit der Fliegenpilze gekonnt in Szene setzt. So wird aus einem vorgefundenen scheinbar einfachen Ding etwas ganz Besonderes, Magisches und in höchstem Maß Ästhetisches, das von uns Achtung und Respekt einfordert.

Diese spezielle Form der Inszenierung kommt auch in den Arbeiten von Sara Rohner vor. Ihre Arbeit „Eins öffnet sich ins andere“ – vier Bilder auf Kalkpapier, die von beiden Seiten, also auch im Gegenlicht, betrachtet werden können – erzählt rätselhafte Bild-Geschichten, mit Tieren als Handelnde, in grossartigen Landschaften mit Wäldern, auf hohen Ebenen oder in Ruinen. Menschen spielen hier nur eine kleine Rolle. Es ist tatsächlich so, wie die Bilder betitelt sind: Der Blick wandert vom Vorder- in den Hintergrund und zurück, von einem Detail ins andere, und kaum haben wir uns in ein Ereignis versetzt, öffnet sich ein anderes Ereignis, es öffnet sich eben eins ins andere. Das ist raffiniert, und ebenso gemalt. Bei längerem Hinschauen entwickelt die Kunst von Sara Rohner eine Art Sog, indem sie unsere Imagination an der Hand nimmt und in einen Kosmos voller Irrationalität, aber auch Schönheit führt.

Ähnlich verhält es sich mit den Wandinstallationen im Nebenraum. Gemalt auf Gebäcktellerchen und Patisseriekartons führt uns Sara Rohner in Landschaften mit reizvollen, aber sonderbaren Konstellationen und Architekturen. Wir entdecken auf der einen Seite Konstruktionen über fliessendem Gewässer oder werden von Wendeltreppen in den Himmel geführt. Wir sehen auf der anderen Seite Häuser, Schlösser, Hütten, Tempel in natürlicher Umgebung, mit Bäumen, Sträuchern, Blumenalleen, Teichen und Seen. Ein Haus scheint im Himmel zu schweben, ein anderes befindet sich in einem Bauerngarten. Die Wirkung dieser zu einer Rauminstallation angeordneten Miniaturen ist so erfreulich wie verblüffend.

Aber Obacht: Wo Schönheit ist, kann’s auch gefährlich werden. Stechapfel, Schlafmohn, Klatschmohn, Maierisli, Fliegenpilz und Co. gehören in die Abteilung „unbekömmlich“, weil giftig und/oder berauschend. Der Stechapfel zum Beispiel enthält Alkoloide, der Klatschmohn gilt als psychoaktive Pflanze, ebenso der Fliegenpilz, dessen Konsum zu Müdigkeit, Schwindel, Euphorie, Halluzinationen und einem Gefühl der Schwerelosigkeit führen kann. Die Ureinwohner Sibiriens haben sogar den Urin von Rentieren, die sich am Fliegenpilz berauscht haben, getrunken, um in denselben Zustand zu gelangen, ohne sich dabei zu vergiften. Vielleicht eine Alternative zum Bier? Jedenfalls lässt der so genannte „Speichel der Götter“ die Konsumenten in die Welt der Geister eintreten. Und so ist manches in dieser Ausstellung von Marianne Engel und Sara Rohner mehr als einfach nur schön oder ästhetisch, sondern leitet in Regionen hinter Vernunft, Verstand und Logik über. Das Schauen wird dann zur Reise, die wie jede Reise ein gewisses Gefahrenpotenzial enthält.

Für den Fall, dass jemand dabei Kratzer abbekommt, möchte ich an das arabische Sprichwort erinnern: „Glück besteht in der Kunst, sich nicht zu ärgern, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern sich zu freuen, dass der Dornenstrauch Rosen trägt.“

Copyright:
Peter Schütz
D-79733 Glrwihl
www.peterschütz.com

Partizipierende
  • Institution:
  • Kulturtankstelle